Wie entsteht die Stuhlinkontinenz ohne Verstopfung?
Die Ursachen für die Entstehung einer Stuhlinkontinenz ohne Verstopfung (nicht-retentive Stuhlinkontinenz) ist bisher nicht geklärt (Bongers et al., 2007; Benninga und Taminiau, 2001). Vermutet wird ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren. Der Anteil der organischen Ursachen liegt bei 1 %.
ACHTUNG
Die Stuhlinkontinenz ohne Verstopfung ist sehr selten. Sie kommt laut einer Übersichtsstudie in 0,0 % bis 1,8 % aller Fälle vor. Im Durchschnitt also bei 0,4 % aller Kinder, die unter Stuhlinkontinenz leiden. (Koppen et al. 2018).
Genetische Faktoren
Bei ca. 15 % der betroffenen Kinder sind weitere Verwandte von einer Stuhlinkontinenz betroffen. Dieser Prozentsatz ist im vergleich zu familiären Häufung von ca. 40 % bei der funktionellen Obstipation eher gering (Benninga et al., 1994). Dennoch lässt es genetische Ursachen vermuten. Bisher wurde jedoch kein Gen identifiziert, das dafür verantwortlich sein könnte.
Organische Faktoren
Kinder mit Stuhlinkontinenz ohne zugrunde liegender Verstopfung zeigen keine der typischen Symptome einer Verstopfung. Die Stuhlfrequenz und auch die Darmbewegungen (Darmmotilität) sind unverändert (Hyams et al., 2016). In einigen Studien konnte jedoch gezeigt werden, dass betroffene Kinder oft Schwierigkeiten damit haben, den äußeren Schließmuskel zu entspannen, um Stuhl abzusetzen. Das entsteht vermutlich dadurch, dass die Kinder nach dem eingekotet vermehrt versuchen, weiteren Stuhlverlust zu verhindern, indem sie den äußeren Schließmuskel anspannen Rajindrajith et al., 2013).
Erste wissenschaftliche Ergebnisse weisen außerdem darauf hin, dass sich die Reizverarbeitung von rektalen Reizen im Gehirn von Kindern mit funktioneller Obstipation und Kinder mit nicht-retentiver Stuhlinkontinenz deutlich unterscheiden (Mugie et al., 2018).
Psychische Faktoren
Da die Mehrzahl der Kinder mit Stuhlinkontinenz ohne Verstopfung keine zusätzliche (komorbide) psychische Störung aufweist, ist diese nicht ausschließlich psychisch bedingt. Dennoch ist die Rate der zusätzlichen, psychischen Symptome bei Kindern mit nicht-retentiver Stuhlinkontinenz im Vergleich zu gesunden Kindern um das 4-6-fach erhöht. Diese sind jedoch so weit gestreut, dass sie nicht allein als Ursache betrachtet werden können. Trotzdem müssen die psychischen Symptome im Rahmen der Diagnostik erfasst und gegebenenfalls mit behandelt werden.
Belastende Ereignisse in der Schule (z.B. Durchfallen bei einer Prüfung, Schulverweis oder Schulwechsel) oder im familiären Umfeld (z.B. Arbeitslosigkeit, Alkoholismus in der Familie, Trennung der Eltern) spielen ebenfalls eine Rolle. Genauso wie psychische, körperliche oder sexualisierte Gewalt.
Begleiterkrankungen
Zusätzlich zur Enkopresis treten häufig Begleiterkrankungen, sogenannte Komorbiditäten auf. Die häufigsten können sein:
- funktionelle Harninkontinenz tagsüber (Enuresis)
- Harninkontinenz nachts
- Rezidivierende (immer wiederkehrende) Harnwegsinfekt
Als mögliche psychische Begleiterkrankungen (Joinson et al., 2006) kommen vor:
- Störungen des Sozialverhaltens mit oppositionellem Verhalten
- ADHS
- Trennungsängste
- Spezifische Phobien
- Generalisierte Ängste
- Depressive Störungen
- Störung des Sozialverhaltens
- Soziale Phobien